Marktabgrenzung im Telekommunikations- und Postsektor (Nr. 200) © Photo Credit: Robert Kneschke - stock.adobe.com

Marktabgrenzung im Telekommunikations- und Postsektor (Nr. 200)

Autoren: Monika Plum, Dr. Cara Schwarz-Schilling

Zusammenfassung

Die Telekommunikations- und Postmärkte sind in Deutschland einer speziellen Wettbewerbsaufsicht als Ergänzung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht unterstellt. Das Telekommunikations- (TKG) und das Postgesetz (PostG) bilden mit den zugehörigen Verordnungen die gesetzlichen Grundlagen dieser sektorspezifischen Regulierung. Nach beiden Gesetzen knüpfen wesentliche Regulierungstatbestände (z.B. Entgeltregulierung) an der Feststellung von Marktbeherrschung im Sinne des allgemeinen Wettbewerbsrechtes gemäß GWB an. Die Feststellung der Marktbeherrschung setzt in der ersten Stufe eine sachliche und geographische Marktabgrenzung voraus. Daher kommt der Abgrenzung relevanter Märkte für Telekommunikations- und Postdienstleistungen bei der Anwendung der Gesetze besondere Bedeutung zu.

Im vorliegenden Beitrag wird eine wettbewerbspolitische Konzeption der Marktabgrenzung vorgeschlagen und deren Anwendungsmöglichkeit auf den Telekommunikations- und Postsektor vorgestellt. Sowohl in der Wettbewerbstheorie wie auch -politik hat das Konzept des hypothetischen Monopolisten zur Bestimmung von Nachfrage- und Angebotssubstitution besondere Beachtung gewonnen. Es ist an der Frage ausgerichtet, inwieweit auf einem Markt wirksamer Wettbewerb herrscht oder ob er eingeschränkt ist. Erstmals wurde dieses Konzept, das sich eines Gedankenexperiments bedient, in den USA vom Department of Justice 1984 in den Merger Guidelines vorgestellt und hat mittlerweile weite Verbreitung u.a. bei der Europäischen Kommission und OFTEL gefunden. Ein wesentlicher Vorteil des Konzepts ist, dass das Ziel der Marktabgrenzung, nämlich die Feststellung von Wettbewerbsbeschränkungen, bereits in der Definition implizit enthalten ist. Mit dem Gedankenexperiment kann sowohl die Wirksamkeit der Nachfrage- wie auch der Angebotssubstitution untersucht werden. Substitute werden dann einbezogen, wenn sie die Ausübung von Marktmacht einschränken.

Die gesetzlichen Regelungen des Telekommunikationssektor und den Postsektor, die eine Marktabgrenzung verlangen, werden dargestellt. Über die wesentlichen für die Marktabgrenzung relevanten Leistungsmerkmale und Qualitätskriterien von Telekommunikations- bzw. Postdienstleistungen wird ein Überblick gegeben. Exemplarisch werden im Telekommunikationssektor der Sprachtelefondienst und im Postsektor Briefdienstleistungen analysiert.

Zu betonen bleibt jedoch, dass Marktabgrenzung immer nur im konkreten Einzelfall erfolgen kann, da sowohl der Ausgangspunkt, d.h. für welche Produkte der Markt abgegrenzt werden soll, wie auch der Tatbestand, d.h. welche wettbewerbspolitische Frage zugrunde liegt, entscheidend sind. Weiterhin ist von Bedeutung, dass sich insbesondere in dynamischen Industrien die Marktabgrenzung im Zeitablauf verändern kann. Gerade im Übergang vom Monopol zum Wettbewerb sind Veränderungen der Marktstruktur und der Marktabgrenzung zu erwarten.