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Qualitätsregulierung und wettbewerbspolitische Implikationen auf Postmärkten (Nr. 255)

Neuer Diskus: Qualitätsregulierung und wettbewerbspolitische Implikationen auf Postmärkten

Andreas Hense

Qualitätsregulierung und wettbewerbspolitische Implikationen auf Postmärkten
Nr. 255 / September 2004

Zusammenfassung

Eine effiziente Allokation der Güter und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft setzt voraus, dass sich die qualitativen Eigenschaften der erstellten Leistungen mit den Präferenzen der Nachfrager decken. Die Qualität von Postdiensten definiert sich dabei nicht nur über die Sendungslaufzeiten, sondern ist aggre-gierter Ausdruck einer Vielzahl von Qualitätsdimensionen (u.a. Einlieferungs- und Zustellbedingungen, Zuverlässig-keit). Ist eine bedarfs-gerechte Grund-versorgung der Bevölkerung mit postalischen Diensten gefährdet, kann dies regulatorische Qualitätsvorgaben erforderlich machen (z.B. in Form von Qualitätsstandards oder als Qualitätsparameter in der Price-Cap-Formel). Qualitätsregulierung im Postsektor ist somit eng an die gesellschaftspolitisch motivierte Universaldienstverpflichtung gebunden, d.h. die flächendeckende Bereitstel-lung von adäquaten Postdiensten zu erschwinglichen Preisen. Entsprechend sind als Teil der Universaldienstauflagen sowohl in der europäischen Postdirektive als auch im deutschen Recht Qualitätskriterien für die Erbringung von Postdiensten festgelegt.

Regulative Qualitätseingriffe im Postsektor sind jedoch nicht ausschließlich auf politi-sche Motive zurückzuführen. Die Notwendigkeit einer Qualitätsregulierung von Post-diensten kann sich auch aus einem Marktversagen oder allgemein aus der Schutzbe-dürftigkeit einzelner Postkundengruppen ergeben. Während im Falle eines Postmono-pols tendenziell alle Kundengruppen von Qualitäts-ineffizienzen des Postdienstangebo-tes betroffen sein können, sind nach einer völligen Liberalisierung besonders im Klein-kundensegment Marktdefekte nicht auszuschließen. Diese können der Entwicklung eines funktionsfähigen Wettbewerbs entgegenstehen und einen Qualitätsmissbrauch begünstigen. In diesem Fall bedarf es regulativer Eingriffe, um die ökonomisch und gesellschafts-politisch unerwünschten Marktergebnisse zu korrigieren.

Die Gefahr qualitativer Ineffizienzen ist im Liberalisierungsprozess aufgrund der noch vorhandenen institutionellen Beschränkungen und der nur sukzessiv freigesetzten Marktkräfte noch weitaus größer. In der Marktöffnungsphase darf auf eine Qualitätsre-gulierung demnach nicht verzichtet werden. Es ist allerdings möglich, dass die gestell-ten Qualitätsanforderungen den etablierten Postanbietern Wettbewerbsvorteile ver-schaffen und dadurch Marktschranken aufbauen. Die Chancen potenzieller Newcomer, über eine Qualitätsstrategie in den Markt einzutreten, sind bei bereits hohem marktwei-ten Qualitätsniveau und ausgeschöpften Zahlungsbereitschaften weitaus geringer. Strenge Qualitätsvorgaben begünstigen ebenso eine solche marktverschließende Entwicklung wie eine zu langsame Liberalisierungsgeschwindigkeit, die den etablierten Anbietern Zeit lässt, sich auf den Qualitätswettbewerb vorzubereiten. Ein Marktzutritt wird umso schwieriger, je intensiver die Qualitätsregulierung zu Leistungsverbesserun-gen der etablierten Anbieter beiträgt und je mehr es diesen gelingt, eine Qualitätsrepu-tation aufzubauen. Es besteht folglich ein Trade-off zwischen qualitativer Effizienz und möglicher Wettbewerbsdynamik, der sich letztlich nicht objektiv auflösen lässt. Dieses Dilemma der Qualitätsregulierung muss bei einer schrittweisen Rückführung der regula-torischen Vorgaben im Verlauf der Marktöffnung berücksichtigt werden.

Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.