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Zur Ökonomie von Trassenpreissystemen (Nr. 279)

Neuer Diskus: Zur Ökonomie von Trassenpreissystemen

Gernot Müller

Zur Ökonomie von Trassenpreissystemen

Nr. 279 / August 2006

Zusammenfassung

Ein wesentlicher Bestandteil der Reform des gemeinschaftlichen Eisenbahnrechts von 2001 (Erstes Eisenbahnpaket), die im vergangenen Jahr auch in Deutschland vollzogen wurde, ist die Neufassung der Regelungen zu den Nutzungsentgelten für die Eisenbahninfrastruktur. Diese müssen nun vor allem bestimmten Vorgaben an das Preisniveau genügen (Kostendeckung und Erwirtschaftung einer Rendite, ggf. unter Berücksichtigung staatlicher Zuschüsse), auf einem vorgegebenen Kosten-standard beruhen (Grenzkostenpreise, Aufschläge zur Kostendeckung), nach gewissen Kriterien differenziert werden (zeitliche und räumliche Knappheit, Umweltauswirkungen, Kosteneinsparungen) und Qualitätsverbesserungen fördern. Die auslegungsbedürftigen Formulierungen der Rechtsvorschriften, die teilweise widersprüchlichen Zielsetzungen und die noch immer existierenden Unterschiede bei den einzelstaatlichen Entgeltsystemen lassen jedoch weiteren Harmonisierungsbedarf erwarten. Die Regulierungsbehörden sollten zudem Anhalte für eine wirksame Überprüfung und Bewertung der Entgeltgrundsätze und Entgelthöhen erhalten.

Aus einer ökonomischen Analyse der Benutzungsentgelte lassen sich in dieser Perspektive einige wesentliche Schlussfolgerungen ableiten. Zwar ist eine vollständige zwischenstaatliche Harmonisierung der Preissysteme angesichts der unterschiedlichen politischen, marktstrukturellen und netzspezifischen Voraussetzungen nicht realisierbar, grundlegende Prinzipien und Rahmenbedingungen (Transparenz, Diskriminierungs-freiheit, Quersubventionierungsverbot) sowie die Vorgaben an die Kostenmethodik, -definition und -messung, den Kostendeckungsgrad, die knappheitsbezogenen Entgelte, die Anreizelemente für eine Qualitätsverbesserung (Bonus-/Malus- und Entschädigungssysteme), die Berücksichtigung externer Effekte und die maßgeblichen Bemessungsgrundlagen, sollten jedoch vereinheitlicht werden.

Bezüglich der Kostenmethodik bieten sich trotz einiger praktischer Probleme Grenzkosten- und Ramsey-Boiteux-Preise sowie zweiteilige Tarife an. Stehen die Ziele der allokativen Effizienz und der Verkehrs-verlagerung im Vordergrund, so sollten die Preise auf der Basis der kurzfristigen Grenz- bzw. inkrementalen Kosten kalkuliert werden; langfristige Grenzkosten oder LRAIC sind vorteilhaft, wenn Kapazitäts-engpässe oder langfristige Nutzungsverträge vorliegen. Aufgrund der im Eisenbahninfrastruktursektor anzutreffenden Kosten- und Nachfrage-strukturen impliziert eine Grenzkostenpreissetzung für den Netzbetreiber allerdings Defizite. Sollen diese vermieden, zugleich aber die höchstmögliche allokative Effizienz gesichert werden, so sind Ramsey-Boiteux Preise zu setzen, die zugleich Ansatzpunkte für eine räumliche, zeitliche, sachliche und persönliche Preisdifferenzierung bieten sowie Kosten- und Qualitätsunterschiede, eine variierende Kapazitätsauslastung und Nachfragemerkmale berücksichtigen können. Alternativ garantieren zweiteilige Tarife im Idealfall die gesamtwirtschaftliche Effizienz, die Generierung von Mehrverkehr und die Realisierung der Eigenwirtschaftlichkeit.

Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.