Netzneutralität im Mobilfunk (Nr. 366) © Photo Credit: Robert Kneschke - stock.adobe.com

Netzneutralität im Mobilfunk (Nr. 366)

Netzneutralität im Mobilfunk

Zusammenfassung

Derzeit werden auf politischer, regulatorischer und marktlicher Ebene weltweit kontroverse Diskussionen über mögliche Herangehensweisen im Themenfeld „Netzneutralität" geführt. Die vorliegende Studie adressiert ebenfalls dieses Thema, jedoch aus einer speziellen Perspektive. Konkret werden auf der Basis bisheriger Netzneutralitätsanalysen und -diskussionen für den Festnetzbereich die spezifischen Gegebenheiten und Entwicklungen im Mobilfunk analysiert. Wir widmen uns dem Kernthema der Studie zum einen generisch analytisch aus einer technischen, marktlich/wettbewerblichen und einer regulierungs-/wettbewerbspolitischen Perspektive. Zum anderen werden zentrale Aspekte der Diskussion am konkreten Beispiel des deutschen Mobilfunkmarktes empirisch untersucht. Die Studie basiert methodisch auf Desk Research und Experteninterviews (Provider, NRAs, Verbraucherschutzorganisationen).

Spezifische technische Eigenheiten im Mobilfunk sowie ein dynamischer technischer Fortschritt und die Standardisierung haben nachhaltige Auswirkungen auf Network Per-formance und QoS. Traffic Management im Mobilfunk ist grundsätzlich erforderlich für die effiziente Nutzung der Kapazitäten, Vermeidung von Congestion etc. und wird seit vielen Jahren praktiziert. Maßnahmen zur Verkehrslenkung seitens MNOs hatten bisher nur eine begrenzte marktliche bzw. wettbewerbspolitische Relevanz. Im Prinzip sind je-doch weit gehende Möglichkeiten zur Verkehrssteuerung (zielgerichtete Blockade von Applikationen / Anbietern; Verzögerung in Bezug auf Nutzung individueller Anbieter, Dienste, Nutzer; etc.) seitens MNOs gegeben. Im Übrigen ist künftig mit (stärker) qualitätsdifferenzierten Diensten im Mobilfunkbereich zu rechnen. Insgesamt sind also durchaus vermehrt Ansatzpunkte für Netzneutralitätsverletzungen denkbar. Durch Preis- und Produktgestaltung vorgenommene Zugangsbeschränkungen seitens MNOs sind nicht notwendig als Netzneutralitätsverletzung anzusehen; sie bedürfen vielmehr im Einzelfall einer fundierten ökonomischen Bewertung. Anlass für eine vertiefte Prüfung können insbesondere Einschränkungen bei solchen Diensten und Applikationen geben, die mit denen im Wettbewerb stehen, die MNOs selbst anbieten. Zugangsbeschränkungen und andere Aktivitäten von MNOs können Anzeichen für "Foreclosure" sein (z.B. ein "raising rivals' costs"-Verhalten widerspiegeln). Für eine abschließende Bewertung (und evtl. Eingriffe) werden insbesondere die Wettbewerbsintensität und die Frage, inwieweit ein abgestimmtes Verhalten (Kollusion) vorliegt, zentral sein. Die Frage, inwieweit Endkunden und Inhalteanbieter Zahlungen an MNOs leisten sollten (wenn überhaupt), kann nicht aus sich heraus aus der "Zweiseitige Märkte"-Konstellation beantwortet werden. Sie hängt vielmehr von vielen Faktoren ab wie z.B. Elastizitäten (mit Blick auf Subscription und Nutzung) sowie von Externalitäten.

Im deutschen Mobilfunkmarkt ist mit Blick auf Verkehrslenkung bisher keine systematische Diskriminierung feststellbar; Netzneutralitätsaspekte sind vor allem im Hinblick auf eingeschränkte Zugangsmöglichkeiten zu VoIP-Applikationen berührt gewesen. Die gegenwärtige Praxis der Mobilfunknetzbetreiber könnte als reine Preisdifferenzierung bewertet werden, sofern funktionsfähiger Wettbewerb, ausreichende Transparenz und Wechselmöglichkeiten bestehen. Die Transparenz im deutschen Mobilfunkmarkt ist jedoch insbesondere aufgrund der Unübersichtlichkeit von Preis- und Produktinformationen und der fehlenden Angaben der MNOs zu den von ihnen eingesetzten Verkehrslenkungsmaßnahmen noch stark verbesserungsbedürftig. Zur Begrenzung von Netzneutralitätsproblemen könnte dann auch eine Festlegung von Mindestqualitätskriterien erforderlich sein.

Der Diskussionsbeitrag steht zum Download zur Verfügung.