Offener Zugang privater Nutzer zum Internet - Konzepte und regulatorische Implikationen unter Berücksichtigung ausländischer Erfahrungen (Nr. 189) © Photo Credit: Robert Kneschke - stock.adobe.com

Offener Zugang privater Nutzer zum Internet - Konzepte und regulatorische Implikationen unter Berücksichtigung ausländischer Erfahrungen (Nr. 189)

Offener Zugang privater Nutzer zum Internet - Konzepte und regulatorische Implikationen unter Berücksichtigung ausländischer Erfahrungen

Cornelia Fries, Franz Büllingen

Offener Zugang privater Nutzer zum Internet - Konzepte und regulatorische Implikationen unter Berücksichtigung ausländischer Erfahrungen
Nr. 189 / November 1998

Zusammenfassung

Aktuelle Entwicklungstrends der Verbreitung und Nutzung des Internet belegen die hohe Attraktivität dieses neuen Mediums sowohl bei kommerziellen als auch bei privaten Nutzern. Die Liberalisierung des Telekommunikationssektors und der zunehmende Wettbewerb zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern führen zu einem raschen Vordringen des Internet in alle Lebensbereiche und zum Teil sogar zu einer Substitution traditioneller Informations- und Kommunikationsformen. Es zeichnet sich ab, daß immer mehr realweltliche Kommunikations- und Funktionsbereiche in das Internet integriert werden und ihre virtuelle Entsprechung in Form unterschiedlicher Anwendungen finden. Gleichzeitig ist ein Trend zur Kommerzialisierung der über das Internet verfügbaren Angebote und Wissensbestände zu beobachten.

Angesichts dieser Entwicklung hat in vielen Ländern eine intensive Debatte darüber eingesetzt, wie in einem liberalisierten und wettbewerbsorientierten Umfeld der offene Zugang privater Nutzer zu Kommunikation, Information und Wissen sichergestellt werden kann. In der vorliegenden Analyse stehen die inhaltlichen und konzeptionellen Dimensionen des Zugangs im Vordergrund. Die Analyse der Begriffsverwendung und Argumentation in der öffentlichen Diskussion macht deutlich, daß der offene Zugang mit unterschiedlichen Zielsetzungen, Interessen und Anforderungen verbunden wird.

Vor allem das Konzept des Universaldienstes in der Telekommunikation wird als Ausgangsbasis für die zukünftige Sicherstellung des offenen Zugangs angesehen. Dabei geht es um eine Neukonzeption des Universaldienstes in mehrfacher Hinsicht. Es zeichnet sich ab, daß die Mindestversorgung zukünftig nicht mehr anhand spezifischer Basisdienste (wie z.B. dem Sprachtelefondienst) sondern als Bandbreite, die flächendeckend und zu erschwinglichen Preisen verfügbar sein soll, definiert werden soll. Zweitens wird erkennbar, daß nicht mehr nur der technische Zugang zu Infrastrukturen ("connectivity"), sondern auch der Zugang zu allgemein relevanten Inhalten und Diensten (z.B. in den Bereichen Bildung, Medizin, soziale Beratung, E-Mail-Kommunikation) sichergestellt werden soll. Drittens zeichnet sich ein Trend der Erweiterung bzw. Verlagerung der ursprünglich individuenbezogenen auf eine institutionenbezogene Universaldienstpolitik ab.

Beispiele aus der gegenwärtigen Regulierungspraxis zeigen, daß im Hinblick auf die Sicherstellung des offenen Zugangs unterschiedliche Strategien verfolgt werden. In allen Ländern soll die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Netzen, Diensten und Inhalten in erster Linie durch die Marktkräfte gewährleistet werden. In den USA wird im Rahmen der "National Information Highway"-Initiative versucht, Liberalisierung und Wettbewerbsorientierung mit der Realisierung industrie- und sozialpolitischer Ziele zu verbinden, indem das Universaldienstkonzept auf fortgeschrittene Informations- und Kommunikationsdienste sowie die Vernetzung von Schulen und Bibliotheken erweitert wird. Dies soll dazu beitragen, die Diffusion und Akzeptanz der Internet-Kommunikation zu fördern und den externen Nutzen der neuen Technologien und Dienste zu erhöhen.

Die Europäische Kommission steht dieser Strategie eher ablehnend gegenüber mit dem Argument, daß die Förderung des offenen Zugangs in öffentlichen Einrichtungen primär sozial-, bildungs- und gesundheitspolitischen Zielsetzungen dient und deshalb nicht bzw. nicht ausschließlich über den Telekommunikationssektor finanziert werden sollte. Eine ähnliche Position wird auch in Großbritannien vertreten. Dort ist es allerdings gelungen, die Netzbetreiber im Rahmen eines breit angelegten Konsultations- und Abstimmungsprozesses und durch die Anpassung regulatorischer Auflagen in den Bereichen Tarifierung und Netzzusammenschaltung für eine freiwillige Unterstützung der Vernetzung von Bildungseinrichtungen zu gewinnen. In Australien schließlich steht aufgrund der spezifischen geographischen Gegebenheiten das Ziel der Versorgung ländlicher Regionen mit Anschlußmöglichkeiten im Vordergrund. Der Zugang zu breitbandigen Übertragungswegen und gesellschaftlich relevanten Inhalten wird durch zeitlich befristete staatliche Zuwendungen gefördert und soll langfristig durch den Wettbewerb der Netzbetreiber sichergestellt werden.

Die durch die Entwicklung neuer Kommunikationsmöglichkeiten und sinkende Preise vorangetriebene rasche Penetration des Internet in Privathaushalten läßt erwarten, daß die Diskussion über den offenen Zugang der Nutzer zum Internet in absehbarer Zeit auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen wird. Da umfassende Erfahrungen mit entsprechenden regulatorischen Maßnahmen bislang noch nicht vorliegen, zeichnet sich weiterer Forschungsbedarf im Hinblick auf die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit neuer Dienste für verschiedene Nutzergruppen sowie die Entwicklung regulatorischer Konzepte zur Sicherstellung des offenen Zugangs ab.