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Substitutionsbeziehungen zwischen traditionellen Briefdiensten und neuen Formen der Telekommunikation (Nr. 149)

Substitutionsbeziehungen zwischen traditionellen Briefdiensten und neuen Formen der Telekommunikation

Thomas Baldry

Substitutionsbeziehungen zwischen traditionellen Briefdiensten und neuen Formen der Telekommunikation
Nr. 149 / Mai 1995

Zusammenfassung

Die Studie beschreibt die Substitutionsbeziehungen zwischen dem traditionellen Brief- und Postkartenangebot im inländischen Individualverkehr und neueren Formen der Telekommunikationsmedien. Die zunehmende Intensität der geschäftlichen und individuellen Kommunikation und die Vielfalt neuer Kommunikationsmöglichkeiten sind deutliche Symptome des Wandels zur Informationsgesellschaft. Das Streben nach Wettbewerbsvorteilen u.a. durch Kostenminimierung führt unter einer Neubewertung der Effizienz alter Kommunikationsstrategien und -medien zur Umstrukturierung der betrieblichen Informations- und Kommunikationssysteme. Der dadurch ingang gesetzte Substitutionswettbewerb zwischen alten und neuen Kommunikationstechnologien berührt das Dienstleistungsangebot der Postunternehmen in zunehmendem Maße. Langfristig wird der Anteil von Brief und Postkarte am postalischen Sendungsvolumen zurückgehen. Der Rückgang wird dabei nicht allein von der Konkurrenz der Telekommunikationsmedien beeinflußt, sondern auch von zusätzlichen Marktdynamiken in Kunden- und Konkurrenzsegmenten oder den regulatorischen Rahmenbedingungen.

Ein einfacher Zugang zu Telekommunikationsmedien und -diensten und ein hoher Grad der Nutzerakzeptanz sind wichtige Voraussetzungen für das Entstehen von Substitutionskonkurrenz. Mehr als Electronic Mail (E-Mail) und Electronic Data Interchange (EDI) gilt Fax als derzeit größtes Briefsubstitut. Die starke Marktpräsenz und hohe Nutzerak-zeptanz der Faxtechnologie werden durch fallende Preise und ein wachsendes Angebot an Faxmehrwertdiensten unterstützt. Per E-Mail versendete Post läßt sich an Gruppen richten und kommt damit auch als Substitut für Massensendungen in Frage. EDI erlaubt den automatisierten Austausch standardisierter Geschäftsdokumente zwischen räumlich getrennten Geschäftseinheiten oder Unternehmen und tritt bei derartigen Sendungsinhalten als Alternative zum rein geschäftlichen Briefverkehr in den Vordergrund. Andererseits bilden der geringe Bekanntheitsgrad der Anwendungsmöglichkeiten und die aufwendige organisatorische Abstimmung der Kommunikationspartner Hemmnisse für eine schnellere Adoption der EDI- und E-Mail Systeme.

Die Dezentralisierung von Arbeitsaktivitäten aus der Unternehmung heraus (Teleworking) gewinnt durch die Berufsverkehrsproblematik an Gewicht und bedingt dabei einen regen Dokumentenaustausch. Multimediale Anwendungen können in Zukunft auf günstige Voraussetzungen treffen, doch behindern viele verzögerte Projektstarts und die große Vielfalt an Zukunftsvisionen die Planung und Realisation marktreifer Konzepte.

Nicht jedes Telekommunikationsmedium führt a priori zur Reduktion der traditionellen Briefdienste. Neue Technologien verdrängen zwar ihre Vorgänger, initiieren aber auch einen erhöhten Bedarf an Daten- und Dokumentenaustausch, an dem dann auch bewährte Medien wie die Briefdienste beteiligt sind. Der Anteil der Briefdienste am Gesamtaufkommen neu hinzugewonnener Kommunikation ist mitbestimmend für den Netto-Substitutionseffekt. Ein drastischer Rückgang des Sendungsaufkommens wird erst dann zu erwarten sein, wenn die Verbreitung alternativer Medien sehr weit fortgeschritten ist. Bisher überschätzten viele Studien die Nettoeffekte, was das Problem einer Quantifizierung der Substitutionskonkurrenz deutlich macht.